sport
Samstag, März 12, 2005
 
Der Südligenbericht von Catherine Zeta-Bohlen EXTRA:
“Nun lasst mich mal ran”, schrieb vor langer Zeit Kurt Tucholsky in einer aufgeregten Debatte, ohne dass er diesen Satz eigentlich nötig hatte. Und wir vergessen nun mal die Südliga und schauen auf den vergangenen Spieltag der Champions Liga. Und da natürlich nur auf ein Spiel, das als vorgezogenes Finale bezeichnet wurde und das auch im nachhinein ein fast unheimliches Medienecho (sogar in deutschen Zeitungen) bekam, Barca gegen Chelsea. Selten haben zwei Spiele soviel gehalten wie diese zwischen dem spanischen und dem englischen Tabellenführer. “Betörend”, “magisch” und “großartig” waren die Prädikate der deutschen Sportfeuilletonisten, das Spiel der Systeme, Kreativität gegen Kontrolle gegen Kunst gegen Disziplin, ein großes Drama. Interessanterweise machte Barca beim Rückspiel in London an der Stamford Bridge einen ziemlich abgezockten, ja coolen Eindruck. In den ersten zwanzig Minuten zeigten sich ihre immer mal aufflackernde, jugendliche Naivität und sie lagen nach ein paar Chelsea-Kontern mit 0:3 zurück. Und dann wirkte es so, als würde Barca sagen: “Ach so, ihr legt gleich richtig los, das hättet ihr uns ja mal sagen können, denn wir waren grad am Chillen.” Und dann fingen sie an und packten Chelseas Torhüter Petr Cech innerhalb von einer Viertelstunde zwei Dinger rein, gegen die angeblich beste Abwehr der Welt, und das reichte ja um Chelsea nach dem Hinspiel rauszukegeln. Und Barca machte weiter, als würden sie von den Leuten bezahlt werden, die offensiven Kreativfußballer zu mimen. Sie monopolisierten den Ball, bis zu siebzig Prozent der Zeit war er in ihren Reihen, nicht ganz so viel beim Hinspiel, aber da war man ja auch zu Hause. Doch dann gab es noch zwei, vielleicht drei Sachen, die man als verknüpftes Unglück bezeichnen kann. Die Chancenauswertung wurde mal wieder nicht so genau genommen, Petr Cech zeigte vor allem dem deutschen Publikum, was ein wirklich guter Torwart alles rausholen kann und Schiri Collina (ja, der mit der Glatze) hatte nicht gerade einen guten Tag erwischt, um so ein Spiel zu pfeifen. Er übersah das Foul an Barcas Keeper Valdés beim 4:2 für Chelsea, gab den Treffer und traute sich natürlich auch nicht auf die Videoleinwand im Stadion zu schauen, wo die Missetat in Zeitlupe lief... Ja, auch so gehen Spiele aus, und auch eines, das vielleicht wirklich das großartigste seit Jahren war. Und auch was danach alles hochkam, die Emotionen, der um den Sieg betrogene, verzweifelte Ronaldinho, die Tumulte der Fans und Ordner, auch das gehört natürlich dazu (selbst ein Faschistengruß eines Di Canio kann zum Fußball dazugehören, genauso wie der im Regen der katalanischen Wurfgeschosse stehende Luis Figo). Und doch gab es genug, was zornig macht, zornig auf diesen aufgepumpten Neureichenclub aus London, in den Abramowitsch sein Geld investiert, das er durch das, vom russischen Volk geklaute Öl zu genüge hat, zornig auf Mourinho, mein Trainer-Held der letzten Jahre, der nun als Midas gilt (und der russische Ölmagnat mimt den dazugehörigen Bacchus) und der für seine pychologischen Taschenspielertricks und Lügen (die haltlose Behauptung Barca-Trainer Rijkaard hätte im Hinspiel den Schiri beeinflusst) nur noch Ignoranz verdient und das möglichst lange, Mourinhos Trainerstab, der trotz des unglaublichen Erfolges Frank Rijkaard (ihm wurden nach Abpfiff Kusshände zugeworfen) und seinen Co-Trainer (dem man komischerweise Kaugummi ins Haar warf) provozieren musste, die merkwürdig motivierten und rassistischen Chelsea-Ordner, die Eto’o (mal wieder) als Affen beschimpften und Rijkaard und Ronaldinho den Weg zum Kabinengang versperrten und wenig später vor der Kabine handgreiflich wurden. Denn diese beiden sind vermutlich die wahren Sieger dieses Matches: Ronaldinho, der trotz dieser Niederlage neben Chelsea-Keeper Cech der entscheidende Spieler war – seine Tore hätten eigentlich Barcas Sieg gesichert. Und das zweite Tor zeigte, warum er wohl der größte Spieler seit Maradonna ist, da zeigte sich die magische Verquickung von Kaltschnäuzigkeit, Rhythmus und Technik, ein Tor, an das sich die Menschen noch erinnern werden, wenn Chelseas Triumph schon längst in den Statistiken der UEFA vergammelt. Und damit gewinnt auch Frank Rijkaard, der mit einer fast unglaubwürdigen Bescheidenheit die spektakulärste Mannschaft des Jahres schuf – er wolle nur das Beste in seinen Spielern stimulieren, und das mit schöner Regelmäßigkeit. Also gratulieren wir Chelsea zu diesem glücklichen Sieg und zu diesem wahnsinnig guten Torwart und überlegen uns auch noch, ob wir diesen Verein aus London nicht einfach den Namen geben sollten, den er sich verdient hat: Abschaum. Ich denke schon, außerdem ist das ein ambivalentes Ende ganz im Sinne Tucholskys. (Ach ja, Gott sei dank, Juve haute Real aus dem Rennen, was natürlich sehr richtig war.)
Dienstag, März 08, 2005
 
Der Südligenbericht von Catherine Zeta-Bohlen:
Es ist Zeit, in den Lyrikanthologien zu kramen, um ein paar passende Zeilen zu finden: “Der Tod ist groß. / Wir sind die Seinen / lachenden Munds. / Wenn wir uns mitten im Leben meinen, / wagt er zu weinen / mitten in uns.” (Rilke aus den “Sonetten an Orpheus”) Denn Rinus Michels ist vorigen Donnerstag in die ewigen Fußballtrainerjagdgründe eingegangen, der Mann der Holland trainierte und Deutschland vernichtend schlug (1988), der u.a. Ajax und Barca erfolgreich betreute, der Mann, von dem ich nie ganz genau wusste, ob nun der “General” oder “Admiral” genannt werden muss und der den furchterregenden Satz “Fußball ist Krieg” schuf. Jetzt ist er also tot, doch seinen Geburtstag können wir ja weiterhin ausgelassen feiern, übrigens am gleichen Tag wie den von Thomas “the master” Bernhard. Machet jut Rinus und grüß‘ uns den Thomas.
Süd-Service I: 1. FC Barcelona 62 Punkte, 2. Real MadRIP 54, 3. Espanyol Barcelona 45, 4. FC Villarreal 44.
Barca mit einem sehr italienischen Ergebnis in ihren Schlafanzug-Auswärtstrikots bei Osasuna: 1:0 (Tor: Eto’o). Nun sind alle gespannt und hoffen: 1. Dass unsere blau-granatroten Freunde aus Katalonien die neureichen Londoner von Chelsea rauskegeln. 2. Dass Juve gegen Real zwei Tore schießt und dann den berühmten Turiner Beton anmischt.
Süd-Service II: 1. AC Mailand 60 Punkte, 2. Juventus Turin 60, 3. Sampdoria Genua 47, 4. Inter Mailand 46. Großes Capello- und Emerson-Wiedersehentreffen beim Spiel Juves in Rom gegen den AS. Die Fans waren so angespannt, dass sie zuerst den Bus des eigenen Teams mit Eiern und Flaschen bewarfen, was sie aber nach dem Spiel wieder gutmachten (außerdem gab es noch durch Messer verletzte Juve-Fans und Polizisten). Auf Grund des unterirdischen Schiris wurde wenig gespielt (und wenn dann die besten Szenen aus italienischen Opern, ohne Gesang) und das Spiel endete 2:1 für Juve und nicht 1:1 (beide Juve-Tore waren irregulär, jedoch wurde ein korrekter Ibrahimovic-Treffer nicht anerkannt). Der AS Rom rutscht damit sogar aus den UEFA-Cup-Plätzen. Da kann man schonmal überlegen zu welchem Team Totti in der nächsten Saison wechselt, sicher nicht zu Juve, wie er immer mal wieder erklärt.