sport
Mittwoch, Februar 09, 2005
 
Der Südligenbericht vor Ort:
OGC Nizza vs. FC Metz: Mit die-hard-Fans von Nizza und Metz im Flugzeug merkte man, dass die Schlachtenbummelei zu den schönsten Nebensachen im Fußball gehört und im Vielvölkerschmelztiegel Berlin gibt’s natürlich auch Fans von diesen Vereinen. Auf den Flughäfen blieb es zum Glück relativ friedlich, denn die sind doch wesentlich schwerer auseinanderzunehmen als zum Beispiel Bahnhöfe. Schlimmerweise musste ich mein Maniküremesser in Schönefeld zurücklassen, die BGS-Kontrolleurin war fest davon überzeugt, dass es sich eher um so etwas wie eine zusammenklappbare Waffe handelt und sie hatte irgendwie die besseren Argumente. Aber von diesem Schock erholte ich mich in Nizza, das uns mit ca. 13 Grad empfing und in dem die jungen Männer trotzdem dicke Jacken mit Pelzkragen trugen, gern kombiniert mit einer Jogginghose. Im offiziellen OGC Nizza-Fanshop wurden die Karten erstanden, allerdings erst nachdem die Mittagspause vorüber war, die wird nämlich noch trotz des schmutzigen Profifußballgeschäfts gepflegt und dann konnte ich feststellen, dass Nizza-Fans die sympathischsten Eltern der Welt haben, die immer wissen woher der Schnee kommt, der nicht wegschmilzen will (meistens aus Korsika), hervorragend ihre Olivenbäume im Garten pflegen, immer wissen, wie ein Wort auf Spanisch heißt, wenn’s mal mit dem Französisch nicht klappt (was bei mir sehr häufig der Fall ist) und einem vor dem Essen immer einen Aperitif anbieten. Zum Glück war das Spiel abends und so konnten wir die gut funktionierende Flutlichtanlage, die französische Sportzeitschrift
“L‘equipe” bewertet auch die Lichtverhältnisse während eines Spiels, begutachten. Außerdem wurde man vor dem Spiel mit R’N’B-Größen beschallt und konnte kandierte Nüsse kaufen, nachdem man diese verkostet hatte. Das Stadion liegt in der Stadt, genau das Richtige für den Südligenbericht, auch wenn es verschiedene Bausubstanzen hat, immerhin ein reines Fußballstadion. Im Gäste-Block waren ungefähr fünfzehn Leute, die scheinbar den weiten Weg aus Lothringen an die Cote d’Azur auf sich genommen hatten. Und als dann die Mannschaften einliefen und im Stadion die bengalischen Feuer entzündet wurden (großes Lob dafür), entflammten eben jene Metz-Fans ein paar Sachen (das bengalische Feuer hatte man ihnen vielleicht abgenommen), um ihre Mannschaft zu begrüßen. Die Polizei löschte dann das Feuer. Vor Spielbeginn standen alle auf, bis auf die im Metz-Block, und sangen die Hymne des OGC-Nizza, ein Lied in der Sprache der Region, keine sinnlose verbale Attacke in Richtung des Gegners, eher etwas das an die Vertonungen der frühen protestantischen Kirchenlieder Luthers und Gerhardts erinnert. Ja, und das Spiel? Die erwartete Abwehrschlacht, die meist schon im Mittelfeld ausgetragen wurde und obwohl Nizza als harte Truppe gilt (ganz die Handschrift des Haudegens Gernot Rohr, den wir leider nicht zu einem Drink nach dem Spiel einladen konnten), gab es nur zwei oder drei gelbe Karten, dafür aber zwei Tore, die jeweils durch Elfer fielen: zuerst Metz durch Proment in der 68. Minute und ein paar Minuten später Vahirua für Nizza, nachdem sich der eingewechselte Ederson geschickt im Strafraum fallen gelassen hatte. Die zwei Metz-Fans die mit uns im Block saßen und ihre Schals versteckten, waren natürlich empört, die restlichen 9000 nicht. Agali hatte sich schon nach einer halben Stunde verletzt, als er etwas unglücklich auf den Ball trat und zwischenzeitlich ärgerten wir uns ein bisschen, dass wir nicht nach Genua zum Spiel zwischen Sampdoria und Florenz gefahren waren. Es blieb beim 1:1, Nizza war zu unkonzentriert vor dem Tor und Metz nur in der ersten Halbzeit stark. Irgendwann Mitte der Achtziger hatten die übrigens mal Barca aus dem Europapokal gehauen (Barca hatte dabei eine der höchsten Heimpleiten im Europokal kassiert, 1:4 im Camp Nou). Also habt Respekt vor Metz und natürlich auch vor Nizza und dem OGC und was noch dazugehört, dem Meer und dem Strand direkt an der Straße und den großen Hotels und den jungen Leuten, die so gern Jogginghosen tragen, und den Bergen in der Umgebung und den dazugehörigen Orten, die vor langer Zeit mal zum Römischen Reich gehörten und furchtbar alte und schöne Kirchen haben, und den französischen Fußballsendungen, die sich Zeit für die europäischen Ligen nehmen, und den Palmen und dem Schnee aus Korsika, all das, das einen mal kurz vergessen lässt, dass Barca erstmals seit dreizehn Monaten wieder zu Hause verloren hat.